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Architektur

Im Rahmen des Modell­verfahrens Mäusebunkers soll die Diskussion um Denkmal­würdigkeit und Erhalt des ikonischen Gebäudes im inter­nationalen Diskurs der Bau­kultur geführt werden.

 

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Prof. Dr. Gabi Dolff-Bonekämper : Ein Berghain des Westens? Nicht ohne Denkmalpflege!

Ein Gespräch mit Oliver Elser, Juli 2021

 

Über die Strategien, den Mäusebunker als technisches Gesamtkunstwerk zu bewahren. Im Zeichen der Maus – aber keiner niedlichen Maus.

 

Vor einigen Wochen haben der Galerist Johann König und der Architekt Arno Brandlhuber gegenüber der Presse ihr Angebot erneuert: Gebt uns den Mäusebunker!, sagen sie. Die Schlagzeile lautete in etwa: „Wir machen ein Berghain des Westens daraus“. Wie siehst du das: Braucht es noch die Denkmalpflege, wenn man tatsächlich Brandlhuber und König das Gebäude übergeben würde? Oder wäre damit bereits das erreicht, worauf auch der Eintrag in die Denkmalliste abzielen würde: Der Erhalt der Substanz dieses Hauses. 

Daran glaube ich keinen Moment! Es zählt zu den Kernaufgaben der Denkmalpflege, auf die Dinge zu achten, die andere nebensächlich finden. Es geht um das denkmalpflegerische Know-how, was man auf jede Baustelle einbringt, obwohl die Architekt*innen immer zu wissen glauben, was sie wollen und immer beteuern, schon alles richtig zu machen. 

Beim Mäusebunker stellt sich die Frage nach der Reichweite des Denkmalschutzes. Das Gebäude ist nicht nur eine brutalistische Betonkonstruktion, sondern zugleich eine hocheffiziente Maschine. Müsste man nicht das gesamte System bewahren, inklusive aller Labore und der Technik zu deren Betrieb – und nicht nur die architektonische Hülle?

Ja, zum Mäusebunker gehört dieses Abschottungssystem, die Kranken, die Gesunden und die Arbeitenden voneinander zu isolieren; durch Schleusen zu bringen, zu reinigen, getrennte Treppenhäuser zu haben und all das. Die innere Einrichtung des Gebäudes ist stark von diesen Abschottungs- und Isolierungsvorgängen erfüllt, die unabdingbar für den Betrieb waren und meines Erachtens nach Teil des funktionalen Gefüges sind. Davon muss etwas bleiben.
Ich möchte nicht sagen, dass jetzt alle durch die Duschen gehen müssen und nur desinfiziert reinkommen. Dennoch halte ich die komplizierte, doppelt und dreifache Erschließung inklusive des Systems der Trennung von Verkehrs- und von Raumluftbereichen, die charakteristisch für das Gebäude sind, für einen wesentlichen Teil des Schutzgutes. Nicht in jedem Detail, aber im System. 
 

Wie sehr gehört die Hülle in ihrer Gänze dazu? Als wir für den Making-Heimat-Beitrag des DAM gemeinsam mit „Something Fantastic“ vier große Öffnungen in den denkmalgeschützten Deutschen Pavillon in Venedig hineinbrechen wollten, wurde mir klar, dass Denkmalpflege eine erzählerische, narrative Disziplin ist. Die oberste Denkmalpflegerin von Venedig hatte im letzten Moment gezögert und gesagt, wir dürften auf der zentralen Schauseite keine Löcher machen. Schließlich war der Kompromiss, dass wir die Öffnungen nur auf der einen Hälfte des Pavillons machen könnten, sodass man von der einen Seite das unangetastete Gebäude sieht und auf der anderen vor einer recht drastischen Intervention steht.

Okay, das ist für einen Pavillon gut, aber der Mäusebunker ist kein Pavillon. Den einen Teil so zu lassen, wie er ist, damit man den anderen behandeln kann, wie man will, finde ich zu simpel. Das Ganze ist eine Einheit und ich kann mir viel eher vorstellen, dass man zum Beispiel mehr Fenster einfügt ¬– wenn man sich gut überlegt, auf welche Weise man diese in die Hülle schneidet.

Hätte das zur Folge, dass ein mit der Denkmalpflege abgestimmtes Konzept sehr viel mehr als ein pragmatischer Umgang kostet?

Dass die Denkmalpflege immer alles teurer macht, weil man halt sorgfältiger mit der Substanz umgehen muss, ist leider eine absolut gängige Behauptung. Sorgfältig muss man sowieso mit dem Bauwerk umgehen. Im Idealfall bildet man eine Arbeitsgruppe, in der man auf Augenhöhe miteinander Strategien und Lösungen erarbeitet. Das ist zum Beispiel beim Neuen Museum sehr erfolgreich geschehen. 

Ich weiß nicht, ob beim Mäusebunker ein Problem mit Altlasten vorliegt. Aber es gibt immer wieder diese Totschlagargumente wie etwa Asbest oder PCB.

Wenn es Asbest gäbe, müsste der ohnehin, genau wie damals beim Palast der Republik, vor dem Abbruch rausgebracht werden. Man kann also diesmal den Asbest auch rausnehmen und das Gebäude anschließend zur Abwechslung stehenlassen. 

Ich weiß nicht, ob Du mit diesen Co-Habitation-Überlegungen schon zu tun hattest, die zuletzt durch eine Ausstellung der Zeitschrift ARCH+ im „Silent Green“ thematisiert wurden. Die Frage, wie Menschen und Tiere gemeinsam miteinander leben können, hat derzeit Konjunktur in der Kunst und Wissenschaft. Der Mäusebunker war Teil dieser Ausstellung.

Man kann das Gebäude auch zukünftig nicht betreiben, ohne klarzustellen, was hier geschah.

Auch in der BDA-Ausstellung über den Mäusebunker, die Ludwig Heimbach kuratiert hat, hingen diese Listen, wie viele Katzen, Pferde, Mäuse und so weiter dort pro Jahr umgekommen sind. Wahnsinnige Zahlen.

Man muss das thematisieren! Man könnte ja sagen, dass die Maus das Emblem wird und wir fragen Banksy, ob der uns eine Maus sprüht. Wer auch immer dieser Banksy ist und wie man ihn erreicht. Das Leittier für dieses Gebäude wird eine Maus! Und zwar keine niedliche Maus!

Du hast vor einem Jahr auf einer Veranstaltung im Hygieneinstitut – dass ja nun bereits gerettet ist – dahingehend argumentiert, dass der Mäusebunker längst nicht mehr bloß von seiner tatsächlichen Substanz her zu beurteilen sei, sondern als eine Art von Medienphänomen gesehen werden müsse: Kann das als eine neue Kategorie, als ein „Denkmalkriterium des Internetzeitalters“ angesehen werden?

Das Denkmalschutzgesetz definiert, dass ein Denkmal eine bauliche Anlage ist, deren Erhaltung ihrer künstlerischen, historischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung im – und das ist hier ganz wichtig – Interesse der Allgemeinheit liegt. Das Interesse der Allgemeinheit, das fünfte Kriterium ist das Korrektiv zu den vorherigen vier! Das Interesse der Allgemeinheit muss überwiegen, es muss existieren oder es muss hergestellt werden. Eine digitale Fangemeinschaft kann einen unglaublichen Drive entwickeln. Die weltweite Anteilnahme allein macht den Mäusebunker noch nicht zum Denkmal, aber sie markiert das große Interesse der Allgemeinheit.

Lass uns mal ein paar Nutzungsideen abklopfen. Wäre der Mäusebunker ein ideales Museumsdepot? Er ist dicht ist wie eine Thermoskanne. Keine Schädlinge, alles unter Kontrolle, perfekt.

Aber wenn man ihn zu einem Depot macht, sind dort Sachen und keine Menschen. Das wäre ein verdammt teures Depot.

 

Wie wäre es, dort Server unterzubringen, einen gigantischen Datenspeicher?

Okay. Aber das hieße, das Gebäude im Inneren unzugänglich zu machen. Statt Hunden nun Apparate. 

 

Aber nicht jedes Denkmal verlangt nach Öffentlichkeit, oder?

Man sollte die Antwort auf diese Frage sehr konkret aus den technischen Bedingungen herleiten, die der Mäusebunker bietet. Er ist mit diesen charakteristischen Röhren und der ganzen Lüftungsanlage nicht nur ein architektonisches, sondern auch ein technisches Denkmal. Enorm wichtig wäre es daher, mit einem Lüftungsingenieur reinzugehen, bevor sich irgendjemand irgendeine Form oder Nutzung ausdenkt. Erstmal müsste das Funktionieren von Belüftung und Belichtung durchgetestet werden. Wir haben an der TU Berlin hochkompetente Lüftungsingenieure, Klima- und Strömungsspezialisten, die könnte man leicht hinzuziehen.

Wenn man das Gebäude auf dem momentanen technischen Level weiterbetreibt, dann kostet das angeblich eine Million im Jahr. Also die Betriebskosten wären gigantisch.

Egal wer oder was drin sein soll – die Klima- und Lüftungstechnik ist in jedem Fall der Schlüssel zur Benutzung des Gebäudes. Die Tiere haben auch alle geatmet.

Gabriele „Gabi“ Dolff-Bonekämper ist Kunsthistorikerin, Denkmalpflegerin und seit 2002 Professorin für das Fachgebiet Denkmalpflege der Technischen Universität Berlin. Von 2016–2021 war sie Sprecherin des Graduiertenkollegs „Identität und Erbe“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie hat mit zahlreichen Publikationen die internationalen Denkmalwert- und Denkmalschutzdebatten mitgeprägt. In ihrem jüngsten Buch „Der Streitwert der Denkmale. Berliner Aufsätze“ (2021) sind ihre streitbaren Texte aus 3 Jahrzehnten nachzulesen.    

 

Oliver Elser

ist Kurator am Deutschen Architekturmuseum und war im Sommersemester 2021 Vertretungsprofessor für Architekturtheorie am KIT in Karlsruhe. Ausstellungen am DAM u.a.: Das Architekturmodell – Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie (2012), Mission Postmodern (2014), SOS Brutalismus (2017). 2016 war er Kurator von Making Heimat, dem Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale von Venedig. Er ist Co-Gründer des CCSA (Center for Critical Studies in Architecture).