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Architektur

Im Rahmen des Modell­verfahrens Mäusebunkers soll die Diskussion um Denkmal­würdigkeit und Erhalt des ikonischen Gebäudes im inter­nationalen Diskurs der Bau­kultur geführt werden.

 

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Dr. Christoph Rauhut : Das Modellverfahren Mäusebunker: der Denkmalschutz als Protagonist

Interview mit Make_Shift, Francesca Ferguson, Juni 2021

 

Dr. Christoph Rauhut setzt sich als Initiator des Modellverfahrens für den Erhalt und den Prozess hin zu einer Umnutzung des Mäusebunkers ein und stellt damit eine zukunftsweisende Agenda für die Denkmalpflege des Landes Berlin unter Beweis. Im Gespräch positioniert er sich zu den Herausforderungen eines flexiblen und prozesshaften Umgangs mit dem umstrittenen Architekturerbe und weiteren gesellschaftsrelevanten Gründen für einen Erhalt.

Portrait-Foto von Christoph Rauhut, er lächelt, trägt einen dunklen Anzug mit weißem Hemd und Brille
Dr. Christoph Rauhut, Landeskonservator, Landesdenkmalamt Berlin

Bild: Landesdenkmalamt Berlin, Anne Herdin

Herr Rauhut, Sie leiten ein Modellverfahren für den Mäusebunker. Was soll die Öffentlichkeit unter ‘Modellverfahren’ verstehen? Was sind die primären Beweggründe? Wäre es nicht ein relativ klarer Fall, dieses Gebäude zum Denkmal zu erklären?

Wir als Landesdenkmalamt Berlin haben das Modellverfahren Mäusebunker ins Leben gerufen, um in einer – inhaltlich wie auch rechtlich – fordernden und komplexen Situation nach Lösungen zu suchen. Vor gut 1,5 Jahren haben wir festgestellt, dass es für die Zukunft des Mäusebunkers zwei gegensätzliche Interessen gibt: Einerseits der durch uns festgestellte Denkmalwert, also das Ziel der Erhaltung; und andererseits der Wunsch der Charité das Gebäude abzureißen und das Gelände zu entwickeln, wofür die Charité schon die rechtlichen Grundlagen geschaffen hatte. Mit dem Modellverfahren Mäusebunker, welches gemeinsam mit der Charité beschlossen wurde, versuchen wir nun lösungsorientiert zusammenzuarbeiten. Wir hoffen auf ein Ergebnis hinzuleiten, das den denkmalgerechten Erhalt des Gebäudes ermöglicht, der wirtschaftlich darstellbar ist und den Charité Standort Campus Benjamin Franklin städtebaulich und inhaltlich stärkt. Kurzum: Wir versuchen zu überzeugen, dass man Mut zum Denkmal haben darf! 

Ein Foto vom Mäusebunker, der hier aussieht wie ein Schiff.
Mäusebunker, 2021

Bild: Neue Langeweile

Wie ist Ihre Haltung zum Denkmalschutz im 21. Jahrhundert – bezogen auf schwieriges Erbe wie brutalistische Architektur?

Mein Eindruck ist, dass der Denkmalschutz aktuell immer relevanter wird. So erleben wir – zumindest in Berlin – angesichts des aktuellen Baubooms auch eine immer größere Wertschätzung des Historischen in der Öffentlichkeit und das bezieht auch die jüngere Geschichte ein. Ein wunderbares Beispiel ist die aktuelle Ausstellung zur Architektur und Stadtentwicklung der 1980er Jahre in der Berlinischen Galerie. Gleichzeitig kann die Baubranche angesichts der Klimakrise auch von der Denkmalpflege lernen: Ressourcenökonomie, Reparaturfähigkeit und Gesamtenergiebilanz sind schon lange Themen der Denkmalpflege, die wir nun dringend im großen Maßstab übertragen und übersetzen müssen. Ich verstehe die Denkmalpflege als ein Protagonist, der in enger Zusammenarbeit mit weiteren Disziplinen an den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen arbeitet. 

Warum eine Diskursplattform? Reicht nicht der notwendige Verhandlungsprozess mit den politischen Entscheidungsträgern?

Als Denkmalpfleger fühle ich mich zu allererst der Öffentlichkeit verpflichtet. Denkmalschutz kann nicht einfach nur politisch entschieden werden. Insofern versuchen wir im Modellverfahren Mäusebunker die Öffentlichkeit auf verschiedenen Ebenen einzubinden. Eine Herausforderung hierbei ist, dass es natürlich nicht „die Öffentlichkeit“ gibt. Vielmehr gibt es unterschiedlichste Akteursgruppen, die auch unterschiedliche Interessen und vor allem auch unterschiedliche Ideen haben. Mit der Diskursplattform versuchen wir möglichst breit einzubinden – quasi von vor Ort bis international. 

Ein Foto von der hinteren Außenfassade des Mäusebunkers.
Mäusebunker, 2021

Bild: Neue Langeweile

Reicht nicht die Petition, die vorerst einen Abriss des Mäusebunkers verhindert hat?

Die Petition zum Erhalt der ehemaligen Zentralen Tierlaboratorien, des sogenannten Mäusebunkers, war ein sehr wichtiger Schritt, um den Abriss zu verhindern. Die Initiatoren haben es geschafft, eine große Öffentlichkeit auf das Thema zu lenken und hierbei auch den besonderen baukulturellen Wert des Gebäudes etabliert. Insofern bin ich den beiden Initiatoren, wie auch weiteren Enthusiasten, die sich in die Debatte eingebracht haben, für Ihr Engagement sehr dankbar. Um wirklich erfolgreich zu sein, braucht die Denkmalpflege das bürgerschaftliche Engagement.  

 

Was bedeutet dieses Verfahren, auf welchen Ebenen wird das LDA aktiv werden und mit welchem baukulturellen Ziel?

Das Landesdenkmalamt versteht sich im laufenden Verfahren als Anwalt des Gebäudes. Hierbei sind wir natürlich zuvorderst der Vertreter der Denkmalbelange. Anhand der Diskursthemen wollen wir aber auch aufzeigen, dass es noch weitere Gründe für den Erhalt gibt: die ökologische Notwendigkeit, ökonomische Denkmodelle, die Idee der Co-Habitation, die städtebaulichen Chancen und vor allem auch der Mäusebunker als international etablierter Ort und Marke. Unser Ziel ist es, den Mäusebunker als Ort der Potenziale sichtbar zu machen. 

Welche politischen Instanzen sollten bei dem Modellverfahren einbezogen werden bzw. aktiv mitwirken?

Wir hoffen auf eine möglichst breite politische Unterstützung und Mitarbeit – auf Bezirksebene, auf Landesebene und vielleicht schaffen wir es ja auch, das Projekt als ein nationales Modellverfahren auf Bundesebene zu etablieren. Fachlich gesehen gehört aus meiner Sicht die Stadtentwicklung-, Wissenschafts- und Kulturverwaltung(en) ebenso an den Tisch wie Vertreter*innen des Abgeordnetenhauses oder der Bezirksverordnetenversammlung in Steglitz-Zehlendorf. Die unklare Zuständigkeit für den Mäusebunker in der Zukunft – das Gebäude ist ja jüngst durch die Charité ausser Betrieb genommen – ist hierbei die größte Herausforderung. Hier hoffe ich auf eine konstruktive Zusammenarbeit aller trotz Wahljahr. 

 

Was macht diese Architektur besonders schützenswert?

Aus meiner Sicht natürlich zuallererst ihr Denkmalwert: Die ab 1967 von den Architekten Gerd und Magdalena Hänska geplanten und 1971-81 ausgeführten Zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität bilden zusammen mit dem gleichzeitig und im engen funktionalen Zusammenhang geplanten Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Architekten Fehling + Gogel eine einzigartige Gruppe jüngerer Forschungs- und Gesundheitsbauten in der Berliner Bildungslandschaft. 

 


Die spezifische Zweckbindung der Zentralen Tierlaboratorien ist natürlich eine Besonderheit und hier wird man im Rahmen der Umnutzung differenziert mit umgehen müssen – also überlegen, was besonders schützenswert ist und an welchen Stellen Veränderung stattfinden kann. Gleichzeitig ist das bekannte Bild des Gebäudes natürlich auch sehr eng an Kubatur und Fassade geknüpft. Meines Erachtens ist insbesondere dies Teil der Marke Mäusebunker. 

 

Das LDA hat ein Gutachten erstellt: Wie ist der Zustand des Gebäudes, derzeit?

In Vorbereitung des Modellverfahren Mäusebunkers war es uns wichtig, mehr über das Gebäude und insbesondere seinen Zustand zu erfahren. Zudem ist der Mäusebunker aufgrund der besonderen Umstände der Labornutzung nicht zugänglich. Insofern haben wir eine umfassende denkmalfachliche Dokumentation beauftragt, die zum Beispiel auch ein bebildertes Raumbuch beinhaltet. Der Zustand des Gebäudes ist durch die kontinuierliche Nutzung und hiermit verbundene Pflege überraschend gut. Gleichzeitig wissen wir, dass es die für Gebäude jener Zeit typischen Herausforderungen gibt: Schadstoffbelastungen, Betonschäden, eine veraltete Haustechnik, die in diesem Fall für jegliche zukünftige Nutzung auch überdimensioniert ist. Hiermit muss man sich auseinandersetzen. 

 

Wie positioniert sich das LDA hinsichtlich der Flexibilität einer Umgestaltung des Innenraums?

Die Frage ist schwierig. Aktuell wissen wir ja noch nicht, was passieren soll und welche Eingriffe hierfür notwendig sind. Im Rahmen des denkmalfachlichen Gutachtens haben wir zwar einen ersten Vorschlag für Bindungspläne gemacht, aber bislang haben wir ja kein Gegenüber, um die Auswirkungen hiervon zu diskutieren. Aus meiner Erfahrung birgt die Raumstruktur des Gebäudes einige Einschränkungen für Eingriffe, gleichzeitig glaube ich aber, dass sich in enger Zusammenarbeit mit Architekt*innen und Ingenieur*innen spannende Lösungen gefunden werden können, die auch denkmalverträglich sind. 

Was sind die prägenden Momente derzeit, im Prozess der Aufstellung des Modellverfahrens?

Wichtig war die Entscheidung der Charité für die weitere eigene Entwicklung am Standort ein eigenes Werkstattverfahren auf dem Hauptcampus, also neben dem Klinikum Benjamin Franklin, durchzuführen. Hier hat sich in diesem Frühling gezeigt, dass das Grundstück Mäusebunker als Erweiterung der Klinikfläche unattraktiv ist. Das Grundstück Mäusebunker kann somit also nun in einem größeren Maßstab gedacht werden, da hier auch andere städtebauliche Potenziale umgesetzt werden können.  

 


Momentan stellt sich vor diesem Hintergrund nun die Frage, wer in Zukunft die Verantwortung für das Gebäude und das Grundstück übernimmt. Die Charité signalisiert hier Offenheit im Denken, die es nun gilt auch auf der Ebene der politischen Entscheidungsträger*innen zu wecken.  
 

Was für Erfahrungswerte braucht es, um einen Reaktivierungsprozess realistisch zu gestalten?
(Besondere Nutzermodelle, für architektonischen Bestand – Modellprojekte die in Berlin entstanden sind mit denkmalgeschütztem Bestand.)

In Berlin gibt es gute und schlechte Beispiele für Reaktivierungsprozesse. Als Vorbilder für den Mäusebunker-Prozess fallen mir zum Beispiel das Haus der Statistik, das Theater Karlshorst und auch die Entwicklung rund um die ehemalige Blumengroßmarkthalle ein. In all diesen Fällen gibt es eine öffentliche Beteiligung am Prozess wie auch die Offenheit für privates Engagement. Gleichzeitig ist man immer vom Bestand ausgegangen und hat die Projekte aus dem Bestand heraus entwickelt. Mit dem Modellverfahren Mäusebunker hoffe ich erfolgreiche Elemente aus solchen Prozessen auch für den adäquaten Umgang mit Denkmalen zu etablieren.

 

Dr. Christoph Rauhut

ist seit Oktober 2018 Landeskonservator und Direktor des Landesdenkamtes Berlin. Zuvor war er seit 2016 Referent in der Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK) bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und hier unter anderem für die Begleitung und Koordinierung des Europäischen Kulturerbejahres 2018 und fachpolitische Beratung mit zuständig. 

Landesdenkmalamt Berlin