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Architektur

Im Rahmen des Modell­verfahrens Mäusebunkers soll die Diskussion um Denkmal­würdigkeit und Erhalt des ikonischen Gebäudes im inter­nationalen Diskurs der Bau­kultur geführt werden.

 

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Reimagining

Das Modellverfahren Mäusebunker steht für die Gestaltung eines Prozesses  – hin zu einer nutzungs­orientierten Analyse und Um­deutung dieser sperrigen, ikonen­haften Architektur.

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Gudrun Sack : CEO Tegel Projekt GmbH

Interview Francesca Ferguson, 2023

 

Gudrun Sack leitet seit 2021 als CEO der Tegel Projekt GmbH einen Ort urbaner Innovationen und ein potenzielles Modellquartier für die nachhaltige Stadt der Zukunft. In „Berlin TXL“ - einem der elf Berliner Zukunftsorte -  sollen sich technologische Impulsgeber:innen in der Urban Tech Republic ansiedeln, ein nachhaltiges Wohnviertel - das Schumacher Quartier - und ein großer Landschaftsraum entstehen. Die Prinzipien der Standortentwicklung mit Klimaneutralität als treibende Zielsetzung umfassen eine hohe Biodiversität, neue Energie- und Mobilitätskonzepte, sowie eine prozesshafte und nutzer:innenorientierte Entwicklung der bestehenden denkmalgeschützten Gewerberäume. Im Gespräch mit Francesca Ferguson werden die 'Learnings' dieser Entwicklungskonzepte für Berlin TXL als Grundlagen für das Modellverfahren Mäusebunker und seine Potenziale reflektiert.

Das Foto zeigt den Flughafen Berlin-Tegel.
Flughafen Berlin-Tegel: Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Anne Herdin

Bild: Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Anne Herdin

Nach Deiner Teilnahme an dem Modellverfahren für den Mäusebunker würde mich interessieren wie Du die Konversion; die Nachnutzung dieser Bestandsarchitektur erachtest, insbesondere im Zuge der Bauwende.

So ein Gebäude, das wirklich ein Symbol seiner Zeit ist, muss man sehr behutsam nachnutzen und sich sehr genau überlegen, was man damit machen kann. In Zeiten der Bauwende gibt es keine Alternative zur sinnvollen Umnutzung von Gebäuden dieser Art.

Für die Weiterentwicklung von Berlin TXL wurde ein Prozess mit Reallaboren aufgesetzt. Ein denkbarer nächster Schritt auf dem (Mäusebunker-)Areal wäre auch in dem Bestandsgebäude und am Standort selbst Experimentierfelder oder Reallabore aus Planungsteams, Architekt:innen und Ingenieur:innen zuzulassen. Wie hat sich das bei der Entwicklung des Standorts Berlin TXL bewährt?

Wir hatten insgesamt acht Partizipationsverfahren und dieser Prozess hat sich sehr bewährt. Bei dieser außergewöhnlichen Art der Planung wird nicht ein klassischer Wettbewerb ausgerufen, sondern zunächst ein Denkprozess in Gang gesetzt und die Frage in den Raum gestellt: Was ist überhaupt möglich? Aus verschiedenen Planungsteams und sechs vorliegenden Entwürfen wurde dann vom Senat der Masterplan und das Nutzungsprofil zusammengestellt.

Ich sehe darin eine Parallele zum Mäusebunker - da auch hier die User Experience mit einbezogen und nicht allein im stillen Kämmerlein an einer Vision gearbeitet wird. Ein guter Prozess.

Bei einer Bestandsarchitektur wie dem ehemaligen Flughafen Tegel besteht eine besondere Herausforderung für die Instandsetzung und Sanierung, insbesondere bei dem Umgang mit Beton, bezüglich der Dämmung sowie die Schwierigkeiten in Bezug auf den Einsatz von natürlichen Rohstoffen.

Bestand erhalten ist immer nachhaltig. Aber die Frage der Materialien, die man einsetzt, ist natürlich explizit bei den Gebäuden aus den siebziger Jahren schwierig. Berlin TXL ist ein soziales und ökologisches Modellquartier. Daher können wir nicht mit Innendämmung arbeiten, sondern im Zuge der Bauwende müssen wir natürlich ganz klar überlegen: Wie schaffen wir hochwertige Räume, aber eben auch mit ökologischen Materialien, um unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Und deswegen ist hier in Berlin TXL - in den Wirtschaftsgebäuden, aber auch im Hexagon und den weiteren ehemaligen Flughafengebäuden das Thema der Dämmung ein ganz bedeutendes. Wir versuchen derzeit Alternativen zu einer Innendämmung zu entwickeln. Für den Mäusebunker finde ich es durchaus interessant in Bezug auf den Beton mit selbstreinigenden Prozessen zu arbeiten, mit Bakterien oder mit Moos - um diesen Habitus und das Erscheinungsbild, die Ausstrahlung des Gebäudes ins „Jetzt“ zu holen und in Teilbereichen smarter und damit nachhaltiger zu machen.

Ich möchte Dich auf das Thema der längerfristigen Zwischennutzung ansprechen - das hattest Du für die Entwicklung der vermietbaren Flächen in Berlin TXL als vorteilhaft beschrieben. Und wir haben ja architektonisch festgestellt, man kann mit Sektionen des Gebäudes arbeiten, diese aktivieren zur Zwischennutzung. Was hätte eben dieses Thema langfristige Zwischennutzung für Vorteile?

Wir haben im Moment fast alle Gebäude als Werkstätten profilkonform vermietet und nennen es gar nicht unbedingt Zwischennutzung. Denn diese Residents können alle ohne weiteres Langzeit-Residents werden. Wir lernen sehr viel durch diese Nutzung und die damit verbundene User Experience. Die Werkstätten sind gekoppelt mit kleinen Büroflächen. Es gibt einen großen Bedarf für Workshops und Meeting-Formate. Ursprünglich war das Ziel die Wirtschaftsgebäude in Büroflächen umzubauen. Wir haben inzwischen durch die Nutzung gelernt, dass das der falsche Weg ist. Es ist viel zu aufwendig in der Sanierung und im Denkmalschutz. Wir sehen jetzt, wie die Gebäude aktuell effektiv genutzt werden und können von diesen Prozessen ganz klar lernen. Daraufhin haben wir auch unsere Konzepte angepasst.

Das bedeutet diese Zwischennutzung als Experimentierfeld zu betrachten. Wofür werden die Flächen gerade genutzt?

Als einer der elf Zukunftsorte Berlins haben wir ein ganz bestimmtes Profil. Wir müssen immer profilkonform agieren und das bedeutet sich mit den Städten der Zukunft zu beschäftigen: Mobilität, Energie, Werkstoffe, Wasser, Digitalisierung, und Recycling - das sind unsere sechs Kernthemen. Wir schauen immer, dass wir in diesem Profil bleiben und passende Unternehmen und Forschungsinstitute ansiedeln. Im Moment haben sich rund 25 profilkonforme Unternehmen in den Bestands- und Wirtschaftsgebäuden der Urban Tech Republic angesiedelt. Zum Beispiel stammen diese Unternehmen aus dem Bereich der grünen Wasserstoffforschung, die einen großen Flächenbedarf haben oder auch aus dem Bereich autonomes Fahren. Natürlich haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, weil hier aktuell autonome Autos auf den Start- und Landebahnen ungestört geprüft und gewartet werden können.

Bei den Werkstätten des Modellverfahrens und bei den Nutzungsszenarien, die für den Mäusebunker und das umliegende Gelände erarbeitet wurden - 28.000m² am Teltowkanal - entstand eine Leitbildentwicklung, die Hand in Hand mit dem Thema Gesundheitswirtschaft der Zukunft - Future of Health erarbeitet wurde. Wie siehst Du die Potenziale, wenn man in diesem Kontext der Forschung und Wissenschaft feststellt, welche Raumbedürfnisse für die Stadt bestehen? Bei der vierten Werkstatt des Verfahrens hattest Du dir dieses Gelände sogar als den zwölften Zukunftsort Berlins vorstellen können.

Das finde ich ein sehr geeignetes Thema für diesen Ort und für dieses Gebäude, und das muss man auch nach außen spiegeln. Ich sehe ein sehr großes Potenzial auch als Zukunftsort. Die Gesundheitswirtschaft - insbesondere die Charité hat beispielsweise große Archivbestände. Man könnte Teile des Bestands auch als Archiv nutzen und man könnte Teile aufmachen als Begegnungsstätte. Es gibt ein neurologisches Forschungsinstitut, das ich gerne bei uns ansiedeln möchte. Ich finde, das passt gut zu Berlin TXL, zum Thema Stadt der Zukunft. Wir müssen aber bei unserem Profil und dem Fokus auf „urbane Zukunftstechnologien“ bleiben. Dieser Leitbildansatz für den Mäusebunker und das Gelände wäre daher eine gute Ergänzung dessen, was die Stadt braucht.

Die Grünflächen um den Mäusebunker sollen, dem Leitbild entsprechend, dem Wohlbefinden der Nachbarschaft und der Stadtgesellschaft dienen - insbesondere im Kontext des Klimawandels. Um den 'Felsen' dieser Bestandsarchitektur können potenziell Flächen der Biodiversität gewidmet werden; für verschiedene Pflanzenarten und Heilkräuter. Kann man auch von der Leitbildentwicklung für Berlin TXL lernen?

Berlin TXL ist ein sehr charismatischer Ort - der auch bewusst werteorientiert entwickelt werden sollte. Zunächst stand die Überlegung im Raum „Wie kann man diesen Schatz mitten in der Stadt werteorientiert weiterdenken?“ So kann man auch den Mäusebunker und das Gelände betrachten.

Berlin TXL und seine Stadtlandschaft befinden sich in einer traumhaften Lage: Es gibt den See, den Wald, und man ist in 15 Minuten am Hauptbahnhof. Es ist wie eine kleine Waldstadt hier. Das Ziel ist es den Standort behutsam und sorgfältig zu entwickeln.  Die Verteilung lag im Vordergrund und nicht die finanziellen Aspekte. Durch diese Werteorientierung bringt man eine andere Stimmung in die Entwicklung hinein, womit man Nutzer:innen anzieht. Das ist der Weg, den wir hier gehen. Die Nutzer:innen kommen - siehe die 25 Residents die wir jetzt schon haben -  und sie sind sehr zufrieden. Es ist ein Kultort und in ähnlicher Weise sehe ich ein großes Potenzial auch für den Mäusebunker. Bei einer so starken, ikonenhafte Architektur kann man etwas entwickeln was einen besonderen Wert hat und dann kommen die Nutzer:innen von selbst.

Für Berlin TXL baut man auf einem langen und politisch gewollten Prozess der Standortentwicklung. Welche wertebezogenen Konzepte sind über den partizipativen Weg mit Stakeholdern entstanden? 

Es ist ein ganzer Blumenstrauß an Konzepten. Es fängt an mit dem Erbbaurecht: der Boden dieses gesamten Geländes wird nicht mehr verkauft. Dadurch kann ich dann in einem Energiequartier denken und gute, sinnvolle energetische Stromnetze im Verbund aufbauen. Über dem Konzeptverfahren stehen natürlich auch die Werte; das Leitbild steht im Vordergrund und nicht die Gewinnmaximierung. Das Mobilitätskonzept des Schumacher Quartiers wird zudem als autofreies Wohngebiet entwickelt. Im gesamten Quartier entstehen digitale Schranken: es können Lieferautos und Notärzte reinfahren, aber es wird keinen Individualverkehr mehr geben. Wir entwickeln eine große Schwammstadt: das Wasser wird gespeichert, wird nicht mehr nicht mehr in die Versickerung geleitet, sondern in die Speicherung. Es ist mir auch sehr wichtig, dass wir nicht allein für Menschen planen, sondern auch für die Tierwelt. Ganze Biotope sind auf diesen Flughafenflächen vorhanden. Es sind geschützte Biotope, die sehr behutsam erforscht und weiterentwickelt werden müssen, um den Lebensraum für Tiere wiederherzustellen.

Die Botschaft, die auch bei dem Mäusebunker entstehen könnte ist, dass es um unseren gesamten Klimahaushalt geht mit allen Lebewesen - so haben wir es im Narrativ 'Der Turn - die Grüne Arche' entwickelt.

Der Klimawandel ist so stark in den Fokus getreten, wie es vielleicht vor zehn, fünfzehn Jahren noch nicht der Fall war. Dazu kam die Energiekrise durch den Krieg in der Ukraine. Deswegen sind die Leitideen von Berlin TXL die richtigen und die müssen wir auch immer an die Zeit anpassen. Also ich möchte ja das ganze Schumacher Quartier komplett aus Holz bauen, und das passt im Moment zeitlich sehr gut, weil der Berliner Wald und die monokulturelle Berliner Forstwirtschaft sowieso umgebaut werden muss.  Wir haben im Moment wahnsinnig viel Holz in dieser Region und können die nächsten zehn Jahre alles aus Holz bauen. In zehn Jahren müssen wir wieder einen anderen Weg einschlagen.

Das Ziel für den Mäusebunker ist eine Machbarkeitsstudie und ein Konzeptverfahren zu initiieren - das erfordert einen Weg mit der Stadtregierung; eine Public/Civic/Private Partnerschaft. Es erfordert eine Interessengemeinschaft und eine zukunftsweisende Zusammenarbeit mit der Landesregierung als nächsten Schritt.

Entscheidend ist die Erkenntnis, dass es schlecht ist, jede Art von Bestand leer stehen zu lassen. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass man den Standort öffnet, um in eine Nutzung zu kommen.  Dann kommt es auf die guten Konzepte an.