Werkstatt

Welche Chancen bietet der Mäusebunker in Bezug auf die Stärkung des Wissenschaftsstandorts sowie für die Kulturlandschaft und Kreativwirtschaft der Stadt?

Der Campus Benjamin Franklin und das Wissenschaftsnetzwerk Südwest

Nutzungsoption: Forschung & Wissenschaft

Werkstatt III: 13.12.2022 im Institut für Hygiene und Umweltmedizin

Der Campus Benjamin Franklin CBF wird zukünftig unter dem Stichwort „Future of Health“ zu einem Life Science Campus ausgebaut, dessen Schwerpunkte Gesundhaltung und Prävention eng mit der Klink verknüpft sein wird. Gemeinsam mit der Freien Universität Berlin und außeruniversitären Forschungspartner*innen wird der CBF zu einem interdisziplinären und translationalen Campusnetzwerk verwachsen. Für die Charité entsteht dazu in fünf Etappen bis 2050 neuer Raum von rund 100.000 m2 Geschossflächen auf den Freiräumen zwischen Hindenburgdamm und dem Hauptgebäude des Klinikums nach den Plänen von Gmür Architekten + Schifferli. 

Eine Visualisierung für die zukünftigen Umgestaltung des Campus Benjamin Franklin durch die Architekten Gmür/Schifferli
Lageplan. Zukunftsvision Campus Benjamin Franklin.

Copyright: Gmür Schifferli

Eine Visualisierung für die zukünftigen Umgestaltung des Campus Benjamin Franklin durch die Architekten Gmür/Schifferli
Luftbild – Zukunftsvision Campus Benjamin Franklin

Copyright: Gmür Schifferli

Eine Visualisierung für die zukünftigen Umgestaltung des Campus Benjamin Franklin durch die Architekten Gmür/Schifferli
Wasserbecken – Zukunftsvision Campus Benjamin Franklin

Copyright: Gmür Schifferli

Als derzeitige Fachvermögensträgerin und unmittelbarer Nachbar des Mäusebunkers hat die Charité ein Interesse, dass Nachnutzungen des Mäusebunkers sich an dem Campus funktional oder atmosphärisch orientieren.

Es ist davon auszugehen, dass Berlin in Zukunft weiter demografisch und wirtschaftlich wachsen wird. Die ressortübergreifenden Visionen, Ziele und Handlungsfelder für den Ausbau der Infrastrukturen, des Wohnraumes, der Flächen, für die Wirtschaft und der Qualifizierung von Grün- und Erholungsräumen werden in dem Stadtentwicklungskonzept BerlinStrategie 3.0. definiert. Zu den direkten Plänen gehört der Ausbau des Gewerbegebiets Goerzallee / Beeskowdamm am Teltowkanal (rund 4 km zum Mäusebunker), ein neues Stadtquartier mit 2.500 Wohnungen am Bahnhof Lichterfelde-Süd. 

 

Im Kontext der Stadtentwicklungsstrategien BerlinStrategie 3.0. steht Berlin SÜDWEST außerdem als einer der Zukunftsorte im Zeichen des Ausbaus der Wissenschafts- und Forschungsstandortes. In naher Zukunft wird hier das Technologie- und Gründungszentrum FUBIC (Freie Universität Business and Innovation Center) fertiggestellt und soll auf 50.000 m2 Start-Ups der Freien Universität Berlin und weiteren Wissenschaftsinstitutionen und etablierten Unternehmen einen Campus und „Räume für Synergien, Kommunikation und Fortentwicklung und Wachstum“ Platz bieten. Der Campus Benjamin Franklin zum Life Science Campus wird für den Standort Gewicht haben.   

Eine Karte von Berlin, in der die verschiedenen Wissenschaftsstandorte eingezeichnet sind.
Kennzeichnung der verschiedenen Wissenschaftsstandorte in Berlin im Rahmen des Stadtentwicklungsplans Wirtschaft 2030, Stand 2019

Bild: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Fazit: Werkstatt III

 

 

Aus Sicht der Fachleute aus dem Gesundheitswesen ist der Mäusebunker als Standort für medizinische Spitzenforschung nicht geeignet, weil er dem Bedarf nach großzügigen, tageslichthellen Arbeitsräumen nicht entsprechen kann, ohne dass die denkmalwerte Kubatur des Gebäudes stark verändert würde. Hingegen ist das Institut für Hygiene und Umweltmedizin, weil es diesen Ansprüchen genügt, als authentische Immobilie in die bauliche Planung des Life Science Campus Benjamin Franklin einbezogen, wahrscheinlich als künftiges Fraunhofer-Institut. 

 

Obwohl die Gesundheitswirtschaft insgesamt für Berlin eine sehr bedeutende Branche mit großer Dynamik ist und einen immensen, durch den Bestand nicht ansatzweise zu deckenden Raumbedarf hat, passt der Mäusebunker aus ähnlichen Gründen ebenfalls nicht in das Such- Portfolio der meisten Unternehmen der Branche. 

 

Die Medizintechnik benötigt zwar neben Labors auch größere Produktions- und Lagerflächen, was zu den Begabungen des Mäusebunkers passen könnte, jedoch tendierte dieser Branchenbereich aus verschiedenen Gründen eher zu Industrieflächen am Stadtrand. Am meisten kompatibel scheinen Start-ups und universitäre Ausgründungen der Biotechnologieforschung zu sein, da sie einerseits die räumliche Nähe zum Klinikum und zur hier angesiedelten Forschung schätzen, und andererseits eher kleine, günstige, flexibel kombinierbare Flächen mit kurzfristigen Mietverträgen suchen. Hier bleibt allerdings zu prüfen, ob die Nachbarschaft zum FUBIC Dahlem einen unverträglichen Konkurrenzdruck für den auf diese Weise nachgenutzten Mäusebunker darstellt.   

Gleichwohl zeigte sich in der Diskussion des Leitbilds der Charité́, „Future of Health“, dass sich im Hinblick auf die Konzeption von Gesundheit, Altern und Krankheit derzeit ein großer Wandel vollzieht. Vor diesem Hintergrund erscheint die Umgebung eines künftigen Life-Science-CBF als ein fruchtbarer und ergänzender Standort, um neue Wege zu einem holistischen „well-being“ (oder eigentlicher: eines „living well dying well“) experimentell und die etablierten Grenzen wissenschaftlicher und kultureller Produktion überschreitend auszuprobieren. 

 

Ausgehend von Vorschlägen zu einer hybriden Mehrfachnutzung des Mäusebunkers – etwa als Forschungs-, Bildungs- und Produktionsort zu Ernährungsfragen oder zum Thema Heilpflanzen und alternativer Medizin – wurde mehrfach dafür plädiert, in der Nachnutzung nicht gegen die, sondern mit den Talenten des Gebäudes zu arbeiten. 

 

Also die hermetische Qualität der Architektur als Ressource zu gebrauchen, für Inhalte, die eine relative Unabhängigkeit von den klimatischen Bedingungen außen benötigen oder zumindest vertragen, wie z. B. in der aqua- oder hydroponischen urbanen Landwirtschaft. Diesbezüglich kam allerdings auch der Einwand zur Sprache, in der Nachnutzung des Mäusebunkers dessen viel- schichtiges Narrativ und dunkles Kulturerbe nicht durch Banalisierung einfach auszuwischen.  Im Verlauf der Werkstatt schienen sich die Argumente für eine hybride Mehrfachnutzung des Mäusebunkers zu verdichten, welche die Möglichkeiten zur Ansiedlung von Wissenschaft und Forschung in einem Verband diverser Akteur*innen urbaner Wertschöpfung offenhält, an denen in Berlin kein Mangel herrscht. 

 

Dieses Offenhalten der konkreten Nutzer*innen, so zeigten Input und Diskussion zu Träger- und Finanzierungsmodellen, kann statt Manko sogar Stärke eines Entwicklungskonzeptes für den Mäusebunker sein. 

 

Erörtert wurde das anhand der Public Civic Partnership. Darunter sind bei Projekten der gemeinwohlorientierten Nutzung kommunaler Immobilien Vereinbarungen zu verstehen zwischen öffentlichen Bestandstragenden und Akteur*innenkonstellationen aus der Zivilgesellschaft. Dazu scheint in einem ersten Schritt die klare Verteilung von Aufgaben, Rollen und Verantwortlich- keiten zwischen den Parteien der Vereinbarung nötig zu sein. Bezüglich der Finanzierung sollte zwischen Gründungs-/Projektkosten und Betriebskosten unterschieden werden,  die den kooperierenden Beteiligten entsprechend ihrer Ressourcen und Kompetenzen zuzuordnen sind. Dadurch würden beim Mäusebunker etwa die Kosten für nötige Umbauten und die Schadstoffbeseitigung von denen des laufenden Be- triebs getrennt und dadurch politisch besser darstellbar. 

 

Eine auf den Standort maßgeschneiderte Rechts- und Betriebsform – etwa eine gemeinnützige Stiftung und das Erbbaurecht – können schließlich eine gemeinsame Verantwortung von Kommune und privaten Akteur*innen für das Gemeingut Mäusebunker langfristig sichern.  Abschließend bleibt der Appell des Landeskonservators an alle Partnerinstitutionen des Modellverfahrens festzuhalten, angesichts der in den Werkstätten erarbeiteten Ansätze nicht die Hindernisse auf dem Weg der Entwicklung von Perspektiven für den Mäusebunker ins Visier zu nehmen, sondern die Lücken: „Das Land Berlin ist in der Pflicht, und das sind wir alle“.   

Mehr erfahren und das komplette Handbuch zu den strategischen Werkstätten im Modellverfahren Mäusebunker hier downloaden.